Letzte Tage in Schlesien - Buch
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Die Eroberung Schlesiens durch die Rote Armee der Sowjetunion, die sich anschließende Inbesitznahme des Landes an der Oder von Oberschlesien bis ins Riesengebirge durch Polen hat den Betroffenen, den Schlesiern, unendliches Leid gebracht. Das Recht des Siegers und neuen Herren wurde brutal durchgesetzt, Rache unvorstellbaren Ausmaßes forderte vieltausendfaches Opfer. Was sich seit den Januartagen des Jahres 1945 bis zur Kapitulation der deutschen Wehrmacht, was sich dann bis zur Unterzeichnung der Potsdamer Protokolle im August 1945, was sich im ersten Winter unter fremder Herrschaft in Schlesien ereignet hat, was für den einzelnen, für die Familien, für die Alten und die Kinder, die heute selbst schon wieder Eltern sind, die Vertreibung aus der Heimat bedeutet hat, ist in diesem Buch der letzten Tage in Schlesien aus Erinnerungen und Dokumenten zusammengefaßt. Eine derartige, ganz Schlesien einbeziehende Darstellung der vielen Schicksale der Schlesier hat es bislang noch nicht gegeben. In Oberschlesien, im Industriegebiet, begannen die Stunden des Leids bereits in der zweiten Januarhälfte des Jahres 1945, in der Grafschaft Glatz und im Riesengebirge drang die Rote Armee erst nach
dem 8. Mai 1945 ein. Evakuierung ganzer Dörfer und Städte, Erschießungen von angeblich Schuldigen, Vergewaltigungen, Deportationen, die Trennung von Eltern und Kindern, Hungerepidemien, Taten der Verzweiflung, Plünderungen und Annexion durch eine neue polnische Verwaltung sind in die hier veröffentlichten Aufzeichnungen geschichtsnotorisch eingegangen. Die Görlitzer Neiße wurde plötzlich zur Grenzlinie erklärt. Hunderttausende Flüchtlinge, die vor der Roten Armee ihr Leben gerettet hatten und jetzt in die Heimat zurückdrängten, wurden zu Vertriebenen, denn man ließ sie nicht mehr nach Hause, während gleichzeitig die Zurückgebliebenen von daheim verjagt und in
Güterwagen gepfercht in des Wortes wahrer Bedeutung abtransportiert wurden. Das Heldenlied der Frauen und Mütter wird gesungen, denn alles, was geschah, und jede Entscheidung war auf sie, den Mittelpunkt der Familie, zugeordnet, waren doch die Männer und Söhne noch an der Front oder in Gefangenschaft geraten oder sogar bereits gefallen. In welcher Weise gerade die Frauen ihren Mann gestanden haben - und man sollte sich nicht scheuen, es heldenhaft zu nennen -, leuchtet in diesen Tagebüchern, Erinnerungen und Dokumenten immer wieder auf.
Eine Bewältigung dieser bitteren Erfahrungen sollte möglich sein - nicht indem die Wahrheit verschwiegen, sondern indem sie beim Namen genannt und aufgearbeitet wird. Einer der Berichterstatter schreibt: »Echte Versöhnung ist nur dann möglich, wenn Deutsche und Polen sich zu ihrer Schuld in der Vergangenheit ehrlich bekennen. Nur die Wahrheit führt zur Freiheit und neuer Nachbarschaft.«